Die schönsten Szenen in den Büchern und den Filmen über Don Camillo spielen bei den großen Umzügen, wenn Christus sich durch das Dorf bis an den breiten Fluß tragen läßt. Raus aus der Kirche und rein ins Leben.
Das ist zwar nicht der theologische Sinn des Fronleichnamsfestes, aber diese Deutung kommt unserer Seelenverfassung sehr entgegen.
Wenn ich heute mit älteren Herrschaften spreche und die Rede kommt auf die damaligen Prozessionen, dann erzählen sie mit Wehmut von den Blumen, den Fahnen, den Pastoren und Vikaren, der Musik – und den vielen Menschen die ehrfürchtig den Weg säumten oder mitgingen. Dazu die Kommunionkinder, blaue Jungs und kleine weiße Engel.
Man mag das als Folklore abtun und einwenden, daß der Kern der christlichen Botschaft ein anderer ist. Und viele der Frommen aus den Fünfzigern sind in den späten Dreißigern auch marschiert. Aber die Fahne hatte ein anderes Muster und die Trommeln schlugen einen anderen Takt.
Vielleicht liegt gerade in diesem persönlichen Widerspruch etwas von der Faszination des Fronleichnamsfestes in den Jahren vor und kurz nach dem Konzil. Ich selbst habe daran noch blasse Erinnerungen.
Die meisten Städte lagen 1945 in Schutt und Asche. Ich wurde 1958 geboren. Meine Heimatstadt ist, glaubt man der offiziellen Chronik, zu über 70 % zerstört gewesen. Als ich als kleiner Stepke mit Papa und Mama die Welt erkundete, habe ich bewußt kein Trümmergrundstück mehr gesehen. Weniger als zwanzig Jahre nach der Katastrophe war alles weggeräumt und vieles wieder aufgebaut.
Und ich kann mir vorstellen, wie die Menschen in dieser Zeit auch stolz über die neuen Straßen gingen. „Schau, Meister, alles neu. Da vorne wohnen wir. Mit Balkon!“ Da gab es noch ein Gespür dafür, daß nicht nur der ungeheure Fleiß und die Gelder des Marshallplans den Neuanfang möglich gemacht hatten. Da gehörte der Balkenspruch „An Gottes Segen ist alles gelegen“ zu den Grundüberzeugungen.
Heute jammern viele in der Kirche über den Verdunstungsprozeß, der spürbar ist und mit jedem Sonntag weniger Gläubige den Weg zur Messe finden läßt. Als wäre das der Maßstab für Frömmigkeit!
Ich habe am Donnerstag meine eigene kleine Prozession gemacht. Mit dem Elektrofahrrad. „Meinem Heiland, meinem Lehrer“ die Stadt gezeigt. Natürlich weiß er besser, was hinter jedem Fenster stattfindet. Aber das gemeinsame „Erfahren“ verändert die Sichtweise. „Da wohnt der, dort diese Familie. Von denen weiß ich, daß es gerade nicht gut läuft, und hier ist vor Jahren ein Kind gestorben. Meister, so leben wir. Einige sind Kotzbrocken, aber die meisten geben sich alle Mühe. Laß uns nicht hängen!“
„Don Camillo, achte auf deinen Schritt, du kommst aus dem Takt!“